Satire hält immer einen Spiegel vor. Hatte Engin in seinen früheren Büchern den Alltag ausländischer oder deutscher Kollegen in witziger Weise in Satireform gebracht, so ist es heute mit Galgenhumor der Ausländerhaß. Dabei bleibt einem oftmals das Lachen im Halse stecken. Beim “Asylantenheimlotto” erläutert er eine “neue” Form von Glücksspiel, bei denen die Mitspieler darauf tippen können, welche 6 von 49 Asylantenheimen in diversen Städten in der nächsten Woche “abgefackelt” werden. In einem weiteren Stück freut er sich über einen treuen Freund, der sich aus Solidarität die Haare schwarz gefärbt hat, um als Ausländer zu gelten. Engin ist gerührt, bis er erfährt, dass sich besagter Freund eigentlich umbringen will. Und dieser weiß, dass es sich um eine wirklich sichere Selbstmordmethode handelt, sich heute in Wohnungen von Ausländern aufzuhalten.
Wohl nur ein Betroffener selbst kann und darf dieses brisante Thema derartig auf die Spitze treiben. Nur wer sich nach allen Kräften wehrt, kann sich nicht freuen über dieses Buch, das zum leichten Schmun-
zeln und zum herzhaften Lachen reizt, weil der Autor die Gratwanderung des Humors perfekt beherrscht.

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Dütschlünd, Dütschlünd, übür üllüs

„Osman, vergiß das Fladenbrot und die Tomaten nicht“, ruft mir meine Frau hinterher.
„Wieviele Tomaten denn?“ frage ich zurück.
„Ein halbes Kilo, dazu noch etwas Hackfleisch. Und denk noch an die deutsche Staatsbürgerschaft!“
„Davon auch ein halbes Kilo?“
„Ja, 500 Gramm frische deutsche Staatsbürgerschaft, mit viel Kümmel und Knoblauch.“
Ich habe in meinem Einbürgerungsarchiv im Keller nachgeschaut, das ist heute mein 211.ºBehördenbesuch in dieser Sache. Aber die heutige Prüfung werde ich gut überstehen. Denn ich habe alle meine Hausaufgaben bestens erledigt! Die deutsche Nationalhymne kann ich inzwischen absolut perfekt. Und die Biographien von Lassalle, Hegel und Karl May habe ich studiert.
Als ich das Zimmer betrete, weist mich Frau Kottzmeyer-Göbelsberg gleich zurecht:
„Herr Engin, sehen Sie es endlich ein. Sie haben nicht das Zeug ein Deutscher zu werden. Sie sind schon wieder fünf Minuten zu früh. Ein richtiger Deutscher kommt weder zu spät noch zu früh!“
Ich fange sofort mit meinen Hausaufgaben an und singe die Nationalhymne:
„Dütschlünd, Dütschlünd, übür üllüs…“
„Süpür, Herr Engin, damit hätten wir Kapitel 78 endlich abgehakt und kommen jetzt zu Kapitel 79, Paragraf drei, Absatz D, Frage 1A: Deutsche Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts! Aus welchen Büchern stammen folgende Zitate: `Hau wech die Scheiße, ein Tas Kaf und zwei Flasch Bier´?“
Ich bin schockiert! Es muss einen wichtigen deutschen Literaten geben, den ich nicht studiert habe!
„Fontane?“ rufe ich hoffnungsvoll, „oder Wilhelm Busch?“
Frau Kottzmeyer-Göbelsberg verdreht genervt die Augen:
„Nein, Herr Engin, nein!“
„Christian Morgenstern?“ frage ich schüchtern, „vielleicht Hermann Hesse oder Heinrich Heine?“
„Nein, Herr Engin, was ich meine ist die Gegenwartsliteratur!“
„Patrick Süskind? Oder doch Günter Grass?“
„Nein, Herr Engin, kommen Sie nächste Woche wieder, wenn Sie es gelernt haben!“
Erhobenen Hauptes verlasse ich die Behörde. Ab dem 100. Mal habe ich aufgehört, jedesmal danach zu heulen und in den Eichenschrank zu beißen.
Aber nur zwei Wochen danach präsentiere ich meiner Frau stolz die neuen Pässe! Eminanim weint vor Freude und macht Bauchtanz.
„Osman, du Idiot, das sind ja russische Ausweise, ich will doch nicht nach Sibirien“, schreit sie plötzlich, nachdem sie sich die Pässe genauer angeschaut hat.
„Aber Frau, das ist doch unsere einzige Möglichkeit, dieser idiotischen Bürokratie zu entkommen. Als Rußland–Deutsche werden wir innerhalb von 14 Tagen eingebürgert!“

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Ei Spik Deutsch

„Very very gut, very very billih“, brüllt mir der Verkäufer ins Ohr und reißt mir fast den rechten Arm ab.
„Ei em very schön Jacket“, schreit sein Konkurrent und zieht an meinem linken Arm.
Der am rechten Ärmel bekommt Verstärkung. Ein Bär von einem Ladenhelfer schleift mich gemeinsam mit seinem Boß in einen Laden. Nein, nein, die wollen mich nicht ausrauben. Jedenfalls nicht illegal. Die beiden Basarverkäufer zerren mich in ihr Geschäft, um mir irgendetwas zu verkaufen.
„Echt Leder“, sagt er und zeigt mir eine schwarze Jacke. „Echt Leder, feif Handert, only feif Handert, for may Frends.“
„Du schreckst ihn ja ab“, sagt der Riesentürke, „verlang doch nicht gleich das Doppelte.“
„Das macht nichts“, sagt der Boß, „diese Deutschen haben Geld wie Heu. Runtergehen mit dem Preis kann ich ja immer noch.“
Ich glaube, ich werde doch ausgeraubt!
Aus Angst, von Rechtsradikalen als Ausländer erkannt zu werden, hatte ich mir in Deutschland die Haare blond gefärbt und den Schnurrbart abrasiert. Das machen doch jetzt alle. Das ist die große Mode in Deutschland. Mein Nachbar Hasan Öztürk hat sogar seinen Namen geändert. Er nennt sich jetzt Gottlieb Echtdeutsch.
Mit diesen blonden Haaren und schnurrbartlos, aber dafür mit der ganzen Familie und dem vollen Ford-Transit bin ich in die Türkei gefahren, um meine jährliche Urlaubspflicht abzuleisten.
Ich war gerade mal zwanzig Meter von dem Laden entfernt, als mich diese Istanbuler Gängster schnappten und in ihr Geschäft schleppten.
„Ei spik deutsch“, sagt er, „echt Leder, echt Leder, sehr billih, sehr billih!“
„Ich brauche keine Jacke, ich will nichts kaufen“, sage ich laut und zwar auf Türkisch. Aber die beiden Geschäftsleute sind sich so sicher, dass sie einen deutschen Touristen geschnappt haben, und nehmen mein Türkisch gar nicht wahr.
Mit einem Mal gefiel ich mir in der Rolle des deutschen Touristen. Ich kann unbemerkt mitbekommen, was die beiden Basarhändler im Schilde führen. A la Wallraff kann ich die Touristenfeindlichkeit Istanbuler Basarverkäufer bloßstellen. Osman Wallraff, ganz oben!
Ich will den beiden etwas Mut machen und sage auf Deutsch:
„Schön Jacket, schön Jacket, bietefel.“
Die beiden sehen sich mit dem typischen `unser-heutiger-Gewinn-ist-garantiert-Blick´ an. Diesen Blick kenne ich nur zu gut. Den hat meine Frau auch immer drauf, wenn sie mir eine größere Menge Geld abgeknöpft hat.
„Der Vogel ist im Käfig“, ruft der Boß freudig, „das Geschäft ist sicher. Der Kerl zahlt jeden Preis, siehst du nicht, wie doof er aussieht.“
„Schön Jacket, schön Istanbul, schön Türkei“, gebe ich das Kompliment zurück.
Der Riesenkerl holt mir sofort einen Stuhl.
„Besorg noch schnell einen Tee“, ruft der Boß, „wenn er mir diese Jacke für fünfhundert Euro Abkauft, dann gönne ich ihm diesen Tee sogar. Das Plastikjäckchen ist nicht mal 50 Euro wert.“
„Schön Jacket, schön Istanbul, schön Türkei“, wiederhole ich vor mich hin.
Dadurch ermuntert holt er noch eine Plastikjacke aus dem Schrank.
„Echt Leder, very very schön Jacket, seven Handert Euro.“
„Ooo, very very gut“, schreie ich begeistert auf Deutsch.
„Der Kerl hat überhaupt keine Chance“, ruft der Gauner freudig, „den presse ich heute aus wie eine Zitrone. Dem sauge ich das ganze Geld ab. Ruf doch mal die Ayla von oben runter.“
Dann holt er aus dem Regal drei Teppiche und vier Statuen aus Gips:
„Very very old Teppich, very very old Stein, very very billih only for gut Frend.“
„Osmanisches Reich?“, frage ich gekonnt überrascht.
„Noch very very old“, sagt er, „Bizanz, Römer, Assyrer, Neanderthaler. Billih, billih, tri Handert Euro.“
Dann fragt er seinen Kumpanen:
„Hast du auch bei allen Gipsköpfen den Schriftzug `Made in Taiwan´ abgekratzt?“
„Ja“, sagt der andere, „aber bei den Figuren aus Südkorea ging das viel einfacher.“
„Egal, die aus Taiwan sind billiger. Die kosten nicht mal zwei Euro.“
Ich überlege die ganze Zeit, was ich in diesem Jahr für meinen Meister von Halle 4 als Geschenk aus der Türkei mitbringen soll? Im Laufe der Zeit habe ich ihm doch schon fast alles Orientalische geschenkt: Teppiche, Tücher, Samowar, Raki, Silber, Gold, Wasserpfeife.
In der Zwischenzeit ist ein Frisör und ein Straßenverkäufer in den Laden gekommen.
„Ich hole auch mal meine Sachen rein“, schreit der Straßenverkäufer hoffnungsvoll, „vielleicht kann ich dem Idioten ja auch was andrehen.“
Und der Frisör holt Kamm, Schere und Spiegel, um mir die Haare zu schneiden. In dem Moment kommt durch die Hintertür eine gutgebaute Bauchtänzerin in den Laden hinein.
„Komm, Ayla, zeig mal, was du kannst“, sagt der Geschäftsinhaber, „wenn du ihn dazu kriegst, viele Sachen zu kaufen, dann bekommst du auch deinen Anteil ab.“
Der große Helfer drückt auf den Kassettenrekorder, und eine orientalische Bauchtanzmusik erfüllt den Raum oder besser gesagt den ganzen Basar. In ihrem knappen Bauchtanzkleidchen verdreht Ayla die Augen, kurvt scharf um mich herum, während sie mit Busen und Hintern wackelt. Dabei versucht der Straßenverkäufer mir seine Wertgegenstände anzudrehen, bestehend aus Feuerzeugen, Postkarten, Batterien, Taschenlampen, Gürtel und Sonnenbrillen. Währenddessen seift der Frisör auch noch mein Gesicht ein, um mich zu rasieren; dass ich mich vor zwei Stunden rasiert habe, macht ihm nichts aus. Und ich versuche bei diesem Durcheinander tapfer meinen Tee zu trinken.
„Very very old Stein, ei lav deutsch, for Frend only tu Handert“, schreit der Gauner dazwischen und versucht mir seinen zwei Euro teuren Gipskopf aus Taiwan als altrömische Statue anzudrehen, aus Liebe zu den Deutschen für nur lächerliche zweihundert Euro.
Ich kann mich kaum noch auf dem Stuhl festhalten, weil ich mit Ayla zusammen tanzen will. Aber ich darf es nicht! Erstens weil ich ein steifer Deutscher bin, zweitens wegen der Rasierklinge an meinem Hals. In dem Moment ein anderer jugendlicher Straßenverkäufer mit seinem gesamten Laden auf dem Arm, also Hemden, T-Schörts und Pullover, durch die Tür:
„Mein Herr, ich habe Levis-Hemden für Sie“, ruft er.
„Nein, danke, ich mag Levis nicht“, sage ich.
„Lacoste? Boss? Lee? Adidas?“
„Mag ich alles nicht!“
„Kein Problem, mein Herr. Sagen Sie, welche Marke Sie haben wollen, wir drucken alles drauf.“
Der Obergauner ärgert sich, dass er mir immer noch nichts andrehen konnte, und wirft deswegen die beiden Straßenverkäufer heraus.
„Das Arschloch hat ja nur noch Augen für die Ayla, als hätte er noch nie eine nackte Frau gesehen. Der guckt unsere Sachen nicht mal mehr an“, flucht er verärgert.
„Geh doch mal mit den Preisen runter, vielleicht kauft er ja dann“, sagt ihm sein großer Helfer.
„Ei lav deutsch“, sagt der Boß freundlich lächelnd, „echt Leder Jacket tri Handert, old Römerkopf van Handert Euro.“
„Zu teuer, zu teuer“, rufe ich und stecke der Bauchtänzerin einen Zehn-Euro-Schein in den Büstenhalter.
„Ich glaube, der Idiot treibt mich noch in den Wahnsinn“, heult der Boß und dreht sich dann wieder freundlich zu mir:
„Echt Leder Jacket tu Handert, old Stein fifti Euro.“
„Zu teuer, zu teuer“, rufe ich und stecke der Bauchtänzerin diesmal einen Zwanzig-Euro-Schein in den Slip.
„Einen Deutschen, der so gut handeln kann, habe ich noch nie gesehen“, jammert der Boß.
Meine Gefühle gehen mit mir durch, ich kann mich nicht mehr bremsen. Ich springe auf und tanze mit Ayla zusammen.
„Istanbul schön, Türkei schön, Ayla schön, Bauchtanz bietefel“, brülle ich lauter als der Kassettenrekorder.
Auf einmal, wie immer im ungünstigen Augenblick, kommt meine kleine Tochter Hatice herein:
„Papa, Papa, wo steckst du denn die ganze Zeit? Wir suchen dich schon überall“, ruft sie durch den Laden. Und ausnahmsweise mal mit so einem akzentfreien Türkisch, wie ich es noch nie von ihr gehört habe.
Alle im Laden sind geschockt!
Die Gipsköpfe zerplatzen auf dem Boden, der Kassettenrekorder gibt seinen Geist auf und die Bauchtänzerin fällt auf ihren Hintern.
„Echt Leder Jacket feif Handert“, stöhnt der Obergauner völlig durcheinander.
„Ei tenk yu, ei tenk yu, very gut! Ich kaufe es“, rufe ich.
„Was? Sie wollen für die Jacke trotz allem noch 500 Euro bezahlen?“, fragt er mich diesmal auf Türkisch.
„Nein, nein, nicht für die Jacke“, sage ich. „Ich habe meinem Meister fast alles Orientalische schon geschenkt, diesmal bringe ich ihm wirklich was Originelles mit: Ich kaufe die Bauchtänzerin!“

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Mein Pflegesohn

„Osman, du hast mir nur wegen des Geldes noch so ein Balg untergejubelt“, schimpft meine Frau.
„Aber Eminanim, so ein Pflegekind hat doch nur Vorteile: Erstens das Pflegegeld vom Jugendamt, zweitens brauchst du den Jungen nicht neun Monate durch die Gegend zu schleppen und ich musste mich auch nicht unnötig anstrengen.“
„Ach, du meinst wohl dein Zwei-Minuten-Gezappel!“
„Frau, wenn du jetzt hier im Flur vom Jugendamt einen Streit anfängst, dann kriegen wir das Pflegegeld.., ich meine, das liebe Pflegekind nie!“
„Ist in Ordnung, Osman, aber nur, wenn ich die Hälfte von der Beute abbekomme.“
Der Beamte empfängt uns ganz freundlich.
„Herr Engin, ich danke Ihnen, dass Sie dieses schwererziehbare Kind in Pflege nehmen.“
„Es ist mir eine Ehre, dem deutschen Volk diesen Dienst zu erweisen.“
„Herr Engin, Sie wissen , dass in Ihrer Familie dem Kind der Aufbau konstanter emotionaler Beziehungen sowie die Chance einer positiven Sozialisation ermöglicht werden soll.“
„Osman, sag ihm, dass solche Schweinereien bei uns nicht in Frage kommen!“ ruft Eminanim.
„Herr Engin, was waren die Gründe für Sie, solch ein Kind in Pflege zu nehmen?“
Meine Frau platzt heraus: „Das Geld….“
„Das Geld war es nicht“, rufe ich und trete meiner Frau gegen das Schienbein. „Ich würde sagen, wegen der weltpolitischen Gesamtsituation.“
„Osman, er hat wegen des Kindes gefragt, und nicht, warum du seit Jahren die Steuern hinterziehst.“
Ich stehe auf und küsse meine Frau.
„Osman, geht´s dir nicht gut?“
„Frau, ich demonstriere nur, was für eine intakte glückliche Familie wir sind, um ein Pflegekind richtig zu erziehen.“
„Wann hast du mich eigentlich das letzte Mal geküßt?“
„Frau, kein Mensch kann sich mehr als zehn Jahre zurückerinnern!“
„Osman, als Beweis für unsere gute Erziehung die Nachbarskinder vorzuführen, fand ich raffiniert.“
„Eminanim, wenn die Frau vom Jugendamt unsere Hatice gesehen hätte, dann hätte die uns sogar das Sorgerecht für unsere eigenen Kinder entzogen.“ Als Zugabe knutsche ich im Vorbeigehen den Beamten auch noch mit ab.
In diesem Moment wird unser Pflegekind in Handschellen ins Büro gebracht. Er hebt sofort den rechten Arm und fängt an zu brüllen:
„Deutschland den Deutschen! Türken raus aus Jugendamt!“
Mit Schrecken stellen wir fest, dass wir einen Pflegesohn mit einer häßlichen Glatze, Springerstiefeln und Bomberjacke abgekriegt haben.
Der Beamte schreit wütend:
„Thomas, du weißt genau, was der Richter gesagt hat. Entweder ein Jahr bei Herrn Engin oder Zehn Jahre Knast!“
Meine Frau flüstert:
„Oh, der arme Junge, er tut mir so leid! Vor so eine schreckliche Wahl möchte ich auch nicht gestellt werden!“

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