Die bilderreiche Sprache seine Satiren stellen gegenwärtig in der bundesrepublikanischen Migranten-Literatur eine Novität dar, denn der Autor versteht sich offensichtlich weder als E-, noch als I-Migrant, sondern als Türke in Deutschland.
Dieses neue Bewußtsein negiert romantische Heimattümelei und ohnmächtiges Klagen über die herzlosen Deutschen, stattdessen werden die Schwächen seiner deutsch-türkischen Urwelt liebevoll karikiert und manchmal ins Groteske übersteigert.

Leseprobe















Ausverkauft.















Das Beschneidungsfest

Als Moslem muss man dafür sorgen, dass die Söhne beschnitten werden. Gestern abend fand das Fest für die Frauen statt, wobei mein Sohn Mehmet traditionsgemäß Henna in die Hände geschmiert bekam, damit er heute, am Beschneidungstag, schöne rote Hände hat. Seltsamerweise reagierten meine Freunde etwas eigenartig, als sie die Einladungen zum Fest bekamen. Die Deutschen sagten:
„Warum wurde denn nicht das letzte Mal alles auf einmal abgeschnibbelt?“
Die Türken sagten:
„Den Trick mit dem Beschneidungsfest kennen wir schon lange. Der Typ will doch nur Geschenke kassieren!“
Die Eskimos sagten:
„Bei und werden nicht mal Pinguine so oft beschnitten!“
Ich sehe es ein, dass 16 Beschneidungen für einen einzigen Jungen etwas viel sind. Nicht, dass er es körperlich wirklich nötig hätte. Bei dem bißchen würde vielleicht eine halbe Beschneidung voll und ganz ausreichen, wenn wir ihn nur in die Finger bzw. unter die Schere bekommen würden.
Einige böse Zungen aus meinem Bekanntenkreis lästern auch, ich würde diese ganzen Beschneidungsfeste nur organisieren, um möglichst viele Gastgeschenke für meinen Türkei–Urlaub zusammenzuraffen. Eine bösartige Unterstellung ist das! Als Geschenk bekommen wir doch immer wieder nur diese billigen koreanischen Armbanduhren.
Aber heute wird Mehmet endgültig beschnitten.
Da hilft auch sein Argument nichts, dass er bereits 25 Jahre alt sei und zum Beschneiden zu alt. Die tapferen deutschen Männer, die unbedingt eine Türkin heiraten wollen, lassen sich sogar mit 40, 50 oder 60 Jahren noch beschneiden.
Letztes Jahr habe ich Mehmet zwei Tage vor der Beschneidung in sein Zimmer eingesperrt. Da hat er einem Polizisten vom Fenster aus einen riesigen Blumentopf auf den Kopf geschmissen und dabei laut gebrüllt:
„Alle mal herhören, ich bin illegal in Deutschland! Außerdem bin ich Schläfer!“
Er durfte den Beschneidungstag dann in Abschiebehaft verbringen.
Mittlerweile sind fast alle da. Die Gäste mit den Uhren, der Doktor mit seinem Werkzeugkasten, und sogar mein Sohn Mehmet. Er sieht richtig niedlich aus in seiner Generalsuniform, die wir ihm vor 15 Jahren für sein erstes Beschneidungsfest aus der Türkei mitgebracht haben.
„Vater, hoffentlich schneidet er mir nicht alles ab“, sagt er besorgt.
„Hoffentlich, mein Sohn. Es ist aber auch nicht völlig ausgeschlossen!“
Dann schicke ich ihn mit dem Doktor ins Nebenzimmer. Ich bleibe lieber hier, ich kann kein Blut sehen.
Eine Woche nach dem gelungenen Beschneidungsfest klingelt das Telefon. Der Doktor ist dran und sagt:
„Herr Engin, ich habe 250 koreanische Uhren, hätten Sie vielleicht Interesse…“
Ich lasse ihn gar nicht erst ausreden und renne sofort ins Badezimmer, wo Mehmet unter der Dusche steht.
Dieser Hundesohn hat mich schon wieder reingelegt! Mir fehlen die Worte, ganz im Gegensatz zu Mehmet; dem fehlt leider überhaupt nichts!

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Anonymer Anrufer

Ich sitze am Computer und versuche, eine Geschichte zu schreiben, aber mir fällt absolut nichts ein. Plötzlich klingelt das Telefon.
„Herr Engin, Sie sind doch Türke, nicht wahr?“ murmelt ein älterer Herr.
„Ich glaube schon, meine Eltern bestehen zumindest darauf.“
„Ich habe gerade einen Artikel von Ihnen gelesen. Also, ich wußte gar nicht, dass die Türken sogar schreiben können.“
Wie aufregend. Ich bin das Opfer eines Telefonterroristen.
„Konnten Sie denn die Geschichte ohne fremde Hilfe buchstabieren?“ frage ich.
„Selbstverständlich! Ich bin gebildet. Ich habe die Volksschule mit Erfolg abgeschlossen.“
„Herzlichen Glückwunsch nachträglich, auch im Namen meiner Frau und der Kinder.“
„Herr Engin, können Sie nicht mal eine Geschichte schreiben, damit die Türken endlich alle aus Deutschland abhauen?“
„Aber sagen Sie mal, wie soll ich den Türken klarmachen, dass sie abhauen sollen?“
„So wie Sie es immer machen: Hintenrum und ein bißchen lustig.“
„Werden wir doch mal konkret, was stört Sie denn an den Ausländern am meisten?“
„Mich persönlich? Also ich weiß nicht, nichts Bestimmtes.“
„Stört Sie, dass die so viele Kinder machen?“
„Kinder? Neeein, ich glaube nicht.“
„Wegen der Arbeitsplätze? Haben die Türken Ihren Gemüseladen weggenommen?“
„Nein. Ich hasse Gemüse.“
„Wegen der Wohnung? Machen die Türken Ihnen zuviel Lärm?“
„Nein. Ich kenne persönlich überhaupt keine Türken.“
„Verdammt noch mal, wenn Sie mir keine Argumente liefern, wie soll ich dann eine packende Geschichte schreiben?“
Enttäuscht schmeiße ich den Hörer auf den Apparat. Nichts, aber auch gar nichts will mir einfallen. Statt dessen geistert mir lediglich die ganze Zeit ein saublöder Witz durch den Kopf.
Ich beschließe, nur den Witz in der Redaktion abzugeben. Wenn den Zeitungsleuten das zuwenig ist, sollen sie eben größere Buchstaben nehmen:
Ali ist der Beste in der Schule, besser als alle deutschen Kinder. Seine Lehrerin sagt:
„Ali, du bist fleißig, kreativ und intelligent, so wie es nur die Deutschen sein können. Deshalb ernenne ich dich hiermit zu einem Deutschen. Ab sofort heißt du nicht mehr Ali, sondern Klaus!“
Ali überbringt seiner Mutter diese frohe Nachricht, dass er nicht mehr Türke sei, sondern statt dessen Deutscher. Die Mutter ist verärgert und schlägt ihm mit dem Kochlöffel auf den Kopf.
„Junge, ich habe dich als Türke geboren, und du bleibst Türke“, schimpft sie.
Am Abend kommt der Vater von der Arbeit und verhaut Ali den Hintern.
„Du Zwerg, du bist Türke auch wenn du in Deutschland lebst“, brüllt er.
Am nächsten Tag fragt die Lehrerin:
„Na, Klaus, wie war denn dein erster Tag als Deutscher?“
Der Junge schüttelt den Kopf und antwortet:
„Na, wie soll´s denn schon sein: Kaum ist man Deutscher – und prompt hat man nichts als Ärger mit diesen Türken!“

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