Youth-Zone-Stadtmagazine:

Das ist feinste politisch unkorrekte Satire. Dies tut Osman Engin
auf eine boshafte, kritische, aber auch extrem ironische und witzige Art,
wie es sie in Deutschland noch selten zu lesen gab.
Die skurrilen und komischen Geschichten sind Unterhaltung der ersten Güteklasse!

dtv Juli 2006

Leseprobe











Jetzt bei Amazon kaufen















Zum Türken degradiert

„Du, blöder Ausländer, geh doch endlich wieder dahin, wo du hergekommen bist!“ brüllt mich der Mann neben mir aus heiterem Himmel an.
„Hey, du Kanake, hast du Dreck an den Ohren oder was?“ kommt ihm sein Kumpel mit der Krawatte zur Hilfe.
Es sind noch mindestens zwanzig andere Leute im Raum, aber niemanden scheinen die derben Sprüche so sehr zu stören wie mich. Selbst meine Frau kaut seelenruhig an ihrem Kaugummi weiter.
„Osman, die beiden Herren haben doch Recht. Bist du etwa kein Ausländer?“ sagt Eminanim.
„Das schon. Aber jeder anderer Türke wäre an meiner Stelle schon längst ausgeflippt.“
„Ach, sei doch nicht so empfindsam.“
„Eminanim, kannst du mir bitte trotzdem mein Messer geben?“
„Osman, spinnst du, du hast doch noch nie ein Messer besessen!“
„Das weiß ich auch! Aber das brauchst du doch denen nicht gleich auf die Nase zu binden!“ zische ich sie türkisch an.
„Also, Osman, in einer Gruppe spricht man keine Fremdsprache! Das ist völlig unhöflich! Die Leute könnten sich ausgeschlossen fühlen“, mahnt mich Eminanim, feinsinnig wie sie nun mal ist.
„Leute, habt ihr gehört, der Kanake hat nicht mal Türkenmesser“, brüllt der mit der Krawatte.
„Ich hab kein Türkenmesser, weil ich kein Türke bin. Ich hab doch den deutschen Pass“, rufe ich und hole ihn stolz heraus.
Der Kerl schnappt sich blitzschnell meinen Pass und zerreißt ihn vor allen Augen in tausend Stücke. Völlig fassungslos beobachte ich mit offenem Mund wie meine jahrelange Arbeit wie Schnee langsam auf den Boden rieselt.
„So, jetzt bist du wieder ein ganz normaler Kanake, du Kanake!“
Das reicht! Ich springe hoch und packe den Mistkerl an seinem weißen Kragen.
„Osman, lass sofort den Herrn wieder los! Schämst du dich nicht, Pfui!“ zerrt mich meine Frau wieder zurück auf den Stuhl.
„So, meine Damen und Herren, ich denke, das reicht für heute“, ruft unser Gruppenleiter Herr Möhrenkopf und klatscht zufrieden in die Hände. „Das war schon sehr gut. Mit Ihnen müssen wir allerdings wohl noch einige Male üben, Herr Engin!“
„Osman, ich bin wirklich stolz auf dich! Du machst immer größere Fortschritte“, freut sich Eminanim. „Dieser ‚Workshop zur Selbstbeherrschung in Extremsituationen’ bei der Volkshochschule hilft dir tatsächlich. Du hast heute niemandem eine geklatscht. Es wird doch noch ein guter Deutscher aus dir.“

Zum Titel


Haararzt

Ich sitze in einem schäbigen Hinterzimmer eines türkischen Cafés und will mir bei Barbier Bekir wieder die Haare schneiden lassen.
„Osman, warum hast du eigentlich heute so einen komischen, schiefen Kopf?“ lacht er.
„Als Kind wurde ich ständig vom Lehrer verprügelt“, sage ich.
„Leg dich da drauf, ich renke deinen Hals wieder ordentlich ein“, sagt er und zeigt auf den alten Küchentisch vom Sperrmüll.
„Nein, danke, mach dir keine Mühe“, spüre ich im Raum ein schlechtes Omen.
„Ich kann doch einen türkischen Landsmann nicht wie den buckligen Glöckner von Notre Dame durch die Gegend laufen lassen! Wir Türken müssen doch zusammen halten. Wenn du – Allah behüte – so ein Grieche, Kurde, Armenier, Russe, Bulgare oder Deutscher wärest, hätte ich nicht mal meinen kleinen Finger krumm gemacht.“
Kurz darauf hören alle Besucher des Cafés jeden einzelnen meiner Knochen krachen, als Barbier Bekir mit voller Wucht auf meinen Rücken springt. Dann rammt er mir seine Knie auf die Schulterblätter und bohrt seine Ellbogen in meinen Hals.
„Hiii... hiii... hiiilfeee...“
„Sei froh, dass du Türke bist. Für meine Landsleute tue ich alles“, schnauft er dabei.
Inzwischen versucht er mein linkes Bein mit meinem rechten Arm zu verknoten; oder mit dem linken Arm. Oder mit dem rechten Bein. Ich weiß es nicht, ich habe nämlich schon längst das Gefühl über meinen Körper verloren.
„Bitte, bitte, lass mich am Leben“, jammere ich.
„Halte den Kopf mit beiden Händen fest und zieh ihn ruckartig nach oben. Und ich reiße gleichzeitig die Beine runter“, ruft er.
„Wie soll ich denn meinen Kopf nach oben ziehen?“ schluchze ich, „außerdem habe ich nicht die geringste Idee, wo mein Kopf ist!“
„Sei ruhig, Osman, dich frag keiner! Ich rede mit unserem Kellner Abdullah.“
In dem Moment stelle ich schockiert fest, dass sich die Zahl meiner Peiniger um mehr als verdoppelt hat. Der Kellner Abdullah ist nämlich ein verkannter Öl-Ketscher und bringt problemlos 200 Kilo auf die Waage; oder auf meinen Rücken, kommt drauf an wo er gerade steht.
Und dieses Elefantenbaby tut für seine Landsleute auch alles: „Hauptsache du bist Türke, Bruder“, zischt Abdullah, „dann ist mir keine Arbeit zu viel.“
„Hilfe, ich bin aber gar kein Türke,“, kämpfe ich mit letzter Kraft um mein Leben, „meine Mutter ist Kurdin, mein Vater ist Armenier, meine Oma ist Russin, mein Opa ist Bulgare und ich wurde in Griechenland geboren. Außerdem habe ich einen deutschen Pass!“
Das hilft.
Bekir und Abdullah lasen mich sofort los und ich renne weg, froh dass ich meinen türkischen Pass rechtzeitig abgegeben habe…

Zum Titel